Plitsch-platsch, plitsch-platsch, plitsch-platsch… die letzten Regentropfen platschen in die Pfütze wie kleine Feen, die im Wasser tanzen. Der Regen prasselt auf das beschädigte Dach der Berghütte, in der ich mich vor dem plötzlichen Frühlingsschauer geschützt habe. Endlich scheint die Sonne durch die Wolken brechen zu wollen. Ein zarter Sonnenstrahl hat das stehende Gewässer in einen Spiegel verwandelt. Als ich dort das Spiegelbild des Himmels gesehen habe, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, meine Seele in diesem himmlischen Spiegel zu betrachten. Dann habe ich das Gefühl gehabt, dahinzugleiten, mit den Wolken und den Vögeln. Ich kann fliegen und alle meine Lebensängste und mein Kummer sind wie Steine ins Wasser geplumpst.
Ich atme tief ein und denke, dass ich mich in diesem Zufluchtsort mitten im Nirgendwo freier fühle als je zuvor. Wie oft in meinem Leben habe ich versucht, meine Zuflucht zu finden? Ich wollte immer sicher und ungestört bleiben. Ich wollte immer einen Ort finden, an dem ich sagen konnte „Hier bin ich ruhig, ich fühle mich erfüllt und gelassen“. Ich wollte, aber ich konnte nicht. Manchmal dachte ich, ich hätte ihn gefunden, aber nicht. Mir hat immer etwas gefehlt. Aber was? Und wovon hängt es ab?
Oft suchen Menschen ihr Refugium vergeblich außerhalb von sich selbst. Fast immer ist das Wort „Refugium“ mit einem Ort verbunden. Jeder von uns hat seinen eigenen Rückzugsort, an dem wir gerne wären, den wir uns erholsam und sicher vorstellen. Dieser Ort kann also sowohl unserer Vergangenheit angehören, wie das Elternhaus in dem wir aufgewachsen sind, als auch im übertragenen Sinne ein Ruheort sein. Die Reise zu diesem Ziel hat viele Haltestellen, die uns ermöglichen tief ins Meer glücklicher Erinnerungen und erfüllter Wünsche sinken zu lassen.
Manchmal haben wir das Gefühl, dass dieses „Refugium“ die Wärme einer geliebten Person hat. Dann hat jede Ecke dieser Zuflucht das Echo einer freundlichen Stimme und eines gutwilligen Lächelns. Dort hören wir die langsamen Schritte von jemandem, der mit seinen Umarmungen alle unsere Wunden heilen kann. Dort finden wir die Hand, die wir halten, falls wir fallen würden. Dort verstehen wir, dass die Zuflucht kein Ort ist, sondern vielleicht eine Person.
Ein „Refugium“, das entweder als einen Ort oder als eine Person verstanden wird, hat eine direkte Verbindung zu den Emotionen, die wir erleben. Die Augenblicke, an denen wir uns glücklich erinnern, werden auch mentale Zufluchtsorte, wo wir uns in Tagträume flüchten. Wenn wir keine Lebensfreude und keinen Seelenfrieden haben, suchen wir Trost im Schatten der Vergangenheit, die wir gern wiederfinden würden, um das Heute zu ändern.
Während all diese Gedanken mir durch den Kopf schwirren, bleibt mein Blick stehen und ich sehe, wie sich meine Silhouette im Wasserspiegel spiegelt. Plötzlich bemerke ich, dass dieses „Refugium“, das ich zeitlebens außerhalb von mir selbst gesucht habe, tief in meiner Brust verwahrt ist. Es ist der Hüter aller meiner Erinnerungen. Innerhalb seiner Mauern sind alle meine Lieben untergebracht. Mit mir hat es gelacht, geweint und sich bewegt. Dort sind alle meine Gefühle tätowiert worden. Mein „Refugium“ ist mein Herz, ein Motor, der mich bei jedem Schritt begleitet. Es ist die Spieldose, in der all die Liebe, die ich gegeben und bekommen habe, ertönen. Bum-bum-bum.
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